Hegel ist schon früh aufgestanden heute. Draußen ist es bedeckt und es windet etwas. Das ist aber ganz normal hier, die Einheimischen würden eher sagen, es sei windstill.
„Was machen wir heute?“ fragt Hegel und klebt mit der Nase schon wieder an der Fensterscheibe.
Natürlich gehen wir raus, das Wetter ist ja gut und dann wird man sehen, was sich ergibt. Bestimmt finden wir etwas, was interessant ist.
Also fluggs angezogen und rüber zur Warfkrone. Hegel zeigt zum Watt „Da ist ja gar kein Wasser heute!“ ruft er.
Er hat bestimmt schon vergessen, dass es an der Nordsee Ebbe und Flut gibt. Jetzt ist gerade Ebbe. Und zwar ziemlich genau auf die Minute.
„Kann man da eigentlich gehen, wo sonst das Wasser ist?“ fragt Hegel. Natürlich, das ist das Watt und ganz normaler Boden, naja eigentlich ist es mehr Sand und an manchen Stellen auch Schlick und Schlamm, da muss man etwas aufpassen, dass man nicht einsinkt.
Hegel läuft sofort runter zur Kante, er will unbedingt mal im Watt gehen. Einverstanden. Da jetzt gerade Ebbe ist, ist das Wasser noch weit draußen und wir haben noch etwas Zeit, um im Watt umher zu gehen. Nur zu weit dürfen wir nicht hinausgehen, weil gleich nach der Ebbe das Wasser wieder ansteigt und das Watt nach und nach überspült.
An der Kante ist sogar eine Treppe, auf der man ins Watt runter steigen kann. Nur muss man aufpassen, da sie sehr glitschig und nass ist. Gleich daneben kommen wir an eine Buhne.
Das ist eine mit vielen großen Steinen aufgeschichtete Sperre. Damit wollte man früher neues Land gewinnen. Heute schützen die Buhnen die Hallig vor den hohen und schweren Wellen, die sich an ihnen brechen und dadurch keinen so großen Schaden anrichten.
Während wir weiter gehen, blickt Hegel zurück und zeigt auf den Boden. „Da sind ja unsere Schuhspuren.“ Das Watt ist hier so weich, dass jeder Tritt einen Abdruck hinterlässt.
Einige Meter weiter ist es noch weicher und man sinkt mit den Schuhen schon etwas ein. In diese Richtung gehen wir nicht weiter. Sonst stecken wir vielleicht fest und kommen nicht mehr heraus. Das will Hegel natürlich nicht.
Er hält sich sowieso schon krampfhaft an dem Riemen vom Fernglas fest und hat jedesmal Angst, dass er ins Watt fällt. Einmal konnte er gerade noch den Kopf zurück ziehen, sonst hätten seine lange Ohren den Wattboden gestreift. Da war nur noch ein lautes „Ihhhhh“ zu hören.
Also machen wir einen kleinen Bogen und kommen hierbei an ein paar kleinen Watt-Inseln vorbei. Die sind nur ein paar cm höher, aber es wächst auf ihnen Seegras und allerhand Muscheln verfangen sich dabei und bleiben hängen.
Hegel hat sich mittlerweile einen neuen Platz gesucht und turnt nun ständig auf der Mütze vom Großvadder rum. Außer lauter Angst, seine langen Ohren könnten ins Watt hängen. Dieser Hegel!
Auf einmal hüpft er auf und ab, dass der Grpßvadder beinahe Kopfweh bekommt.
„Da vorne da vorne, was ist das?“
Als wir näher kommen, sieht man zwei Reihen dunkler Punkte im Watt und im Wasser. Beim nähere hinschauen erkennt man, dass es Holz ist. „Aber was ist das denn?“ will Hegel wissen.
Das sind die Reste von uralten Holzbuhnen, die vielleicht schon hundert oder zweihundert Jahre alt sind und von den Bewohnern damals hier errichtet wurden. Die stecken immer noch tief im Watt und bleiben da bestimmt auch die nächsten hundert Jahre.
Während der weitern Wattrunde entdeckt Hegel noch ein Grasbüschel, das über und über mit Muscheln besetzt ist.
Und ein paar Meter weiter sogar noch eine Auster, die aber schon offen ist. Vermutlich hat sie eine Möwe geknackt und geplündert.
Mittlerweile sind wir schon ein ganzes Stück draußen im Watt. Hegel blickt zurück und sieht ganz hinten unsere Warf.
Weiter raus gehen wir nun nicht mehr. Das Wasser fängt jetzt schon wieder leicht an zu steigen. Bevor es in unsere Nähe kommt, wollen wir wieder an Land sein. Nicht dass wir noch heim schwimmen müssen.
Und schon entdeckt Hegel wieder etwas Neuese. „Das da vorne sieht aus wie ein Fluss!“ ruft er und zeigt auf einen Wasserlauf im Watt.
Das ist ein Priel. Das sind Stellen im Watt, an denen der Boden etwas tiefer ist und das Wasser nicht ganz ablaufen kann. Diese können ganz schön tief sein und sogar gefährlich werden. Wenn man bei Flut noch weit draußen im Watt ist und das Wasser schon knöcheltief um die Füße herum schwappt, dann werden diese Priele natürlich noch tiefer. Wenn es keine andere Möglichkeit gibt, muss man durch den Priel hindurch. Dabei kann das Wasser schon bis Bauchnabel reichen. Oder man muss sogar hindurch schwimmen. Deshalb muss man bei einer Wanderung im Watt immer aufpassen und sich merken, wo solche tiefen Priele sind.
Hegel wäre jetzt an liebsten noch weiter hinauf gestiegen. Aber höher als die Mütze vom Großvadder geht es halt nicht.
„Keine Bange Hegel, dieser Priel hier ist nicht tief und das Wasser ist auch noch weit fort.“
Als Hegel so auf der Mütze rumturnt, wäre er beinahe ausgerutscht und in eine Wattpfütze gefallen. Das wäre was gewesen, Hegel hätte geschimpft wie Rohrspatz. Aber Hegel konnte sich grad noch an einer Schnur festhalten, die um den Hals vom Großvadder hing. Durch das Festhalten zog er dabei ein kleines Kästchen heraus, das an der Schnur befestigt war.
„Was ist denn das für ein Ding?“ rief Hegel gleich, als er wieder festen Boden äähhh Mütze unter den Füßen hatte.
Es ist ein Kompass. Vor allem bei schlechtem Wetter oder im Winter sollte man den im Watt immer dabei haben. Wenn nämlich ein Nebel heraufzieht, dann sieht man vielleicht nur noch 50 oder 100 Meter weit. Und plötzlich weiß man nicht mehr, in welche Richtung man gehen muss. Das wird dann ganz gefährlich, Wenn man aber einen Kompass dabei hat, zeigt einem dieser an, in welche Richtung man gehen muss. Das muss man aber vorher schon einmal üben, damit man auch weiß wie man das richtig macht.
Hegel kratzt sich am Kopf „Uiuiuihhh, das muss man aber aufpassen! Müssen wir jetzt schnell heim gehen?“ Nein, zumindest nicht wegen einem Nebel oder wegen dem Wasser, höchstens wegen dem Hunger. Irgendwo her war ein knurrender Magen zu hören….
Auf dem Rückweg juckt dann Hegel plötzlich wieder aufgeregt auf der Mütze rum und zeigt ganz aufgeregt nach vorne. Hegel hat kleine Häufchen entdeckt, die aus dem Wattboden ragen.
Als wir näher kommen ruft er „Das sind ja Spaghetti, das sind Wattspaghetti, lauter Wattspaghettihäufchen, hihihihi…“.
Nein, natürlich sind das keine Spaghetti, die sehen nur so aus. Das sind die Kothäufchen vom Wattwurm. Der lebt im Watt und ernährt sich von winzig kleinen Lebewesen, die im Wattsand drin sind.
Hegel will natürlich wissen, wie die Wattspaghettihäufchen entstehen. Das ist eigentlich ganz einfach. Der Wattwurm, der im Wattboden in einer Röhre lebt, frisst den Sand und filtert das heraus, was er essen kann. Den Rest stößt er wieder aus, wenn er nach einer halben Stunde an den Ausgang sein Röhre an die Wattoberfläche kommt.
Hegel bekommt ganz große Augen „Das ist ja unheimlich spannend, was es hier im Watt alles gibt!“ Wie recht er damit hat. Aber es gibt noch viel viel mehr solche spannenden Dinge im Watt.
Wir gehen weiter und sehen jetzt schon wieder die Kante. Auf einmal ist wieder dieses Knurren zu hören. Ein paar Mal hintereinander. Das kommt eindeutig von Hegel, der es auch gleich zugibt. Vor lauter Spaghetti und Spaghettihäufchen hat Hegel Hunger bekommen.
„Ich habe Hunger, so einen Hunger, lauf schneller“ treibt er den Großvadder an. „Was gibt es zu essen heute?“ will er wissen.
Großvadder blickt zu ihm hoch und sagt „Heute gibts ‚Großvadder aus der Pfanne‘“ Hegel glaubt das natürlich nicht und fragt nochmals „Nein, sag schon, was gibts heute zum Essen?“. Aber er bekommt wieder dieselbe Antwort.
Hegel schaut ganz ungläubig und überlegt den ganzen restlichen Heimweg, was damit denn gmeint ist. Er ist sowas von gespannt.
Daheim fängts in der Küche bald an zu klappern und brutzeln. Hegel schleicht sich ungeduldig und neugierig am Herd herum. Aber bis zuletzt, weiß er nicht was es zum Mittagessen gibt. Wenn er fragt, bekommt er nur zur Antwort ‚Großvadder aus der Pfanne‘.
Als die Pfanne schließlich auf dem Tisch steht, macht Hegel große Augen, schaut erst fragend hinein und fängt dann so laut zu lachen an, dass er beinahe selbst in die Pfanne gefallen wäre.
„Großvadder aus der Pfanne, hahaha…hahahaha“
Hegel hüpft übern Tisch und gluckst „Großvadder mit nem Käsenbart, nem Käsebart, Käsebart“ und vergisst dabei beinahe seinen Hunger. Es dauert aber nicht lange, da hat Hegel seinen Teller und die letzten Reste aus der Pfanne ratzeputz aufgegessen. So einen großen Hunger hat er gehabt.
„Käsebart, mit Käsebart“ hüpft er davon und lümmelt sich in seine Ecke auf dem Sofa.